Craftbier – bleibts ein Hype oder wird’s Kult(ur)?

Eigentlich wollte ich vor einiger Zeit schon einen netten Bericht zum letzten Craftbierfest in Wien, welches im Mai in der Karl-Marx Halle von statten ging und wieder einmal ausgezeichnet organisiert war, zum Besten geben. Eine Mischung aus innerem Schweinehund und Beobachtungen die mich nachdenklich gemacht haben „entschleunigten“ jedoch mein Vorhaben – dazu aber später.

Beim Craft Bier Fest Wien betrachte ich mich selbst mittlerweile als so eine Art Veteran. Seit dem ersten Fest das noch Freiluft an der Alten Donau war hatte ich kein einziges versäumt und konnte entsprechend die Entwicklung der Organisation und die häufigen Lokationswechsel miterleben. Ich muss sagen mit der Marx Halle scheint die Größe momentan optimal. So auch diesen Mai, wo das Aussteller-zu-Besucher Verhältnis schön ausbalanciert war. Ein paar Tage vorher gab’s wie schon üblich eine immense Bierliste (über 400), diesmal mit einem deutlich hohen Anteil an osteuropäischen Craft-Brauereien – eine enge Zusammenarbeit mit Tschechien war vorab schon angekündigt. Ob der Grund dafür das zeitgleich stattfindende Craftbierfest München war oder von den Veranstaltern beabsichtigt weil die Szene auch in Polen, der Slowakei etc. gerade ordentlich wächst ist nicht so wichtig, da es ein schöner Abgleich zur Braukunst Live in München ist, die immer zu Jahresbeginn stattfindet (und die ich seit 2014 auch noch nie versäumt habe 😉 ).

Also, summa summarum ein rundes Fest mit vielen Ausstellern, tollem Essen, Livemusik und guter Stimmung, da darf es also kein Problem geben. Außer man ist vielleicht über die Zeit zum kritischen Bier-Schnösel mutiert, so wie meine Wenigkeit eben. Und da machte mir zum ersten Mal die Bierliste, bzw was ich mir zum Verkosten herausgestrichen hatte (400 gehen halt einfach nicht) einen Strich durch die Rechnung. Da ich selbst heim-braue und gern mit diversen Zutaten spiele streiche ich mir natürlich primär die Spezialsude (oft nur für die Veranstaltungen gebraut) und neue Brauereien mit exotischen Bieren an, in Erwartung auf entsprechende „Geschmacksexplosionen“. Öfter als gedacht fahre ich damit gut, manchmal ists einfach nur schräg und selten schwer genießbar. Diesmal war dieses persönliche Verhältnis zum ersten Mal aber „out of balance“. Super-catchy Namen wie „Chocolate Vanilla Fruit Black IPA“ und “Imperial Mocha-Toffee Brownie” entpuppten sich als das Gegenteil von spektakulär. Und einige Biere waren einfach nicht gut bzw gewaltig Stil-verfehlt wie ein slowakisches IPA und ein Double IPA eines heimischen Brauers, die beide fast ungenießbar waren – man musste fast dem Mut jener Respekt zollen so etwas trotzdem auszuschenken. Gleichzeitig gab es einen neuen Brauer mit Dosen mit 3D Prints die nur per 3D Brille richtig zu bewundern waren. Dieser hatte zwar auch gute Biere, jedoch frage ich mich ob da insgesamt noch richtig investiert wird. Um hier nicht falsch verstanden zu werden, es gab (zum Glück) auch ein paar Highlights. Dies waren aber weniger die exotischen Kreationen (mit Außnahme von zwei ausgezeichneten Milk Stouts [Wiener Collabs und Sakiskiu Alus aus Litauen] und einem polnischen Double Saison IPA von Browar Maryensztad), sondern klassische Stile die mich überrascht hatten. Ein perfekt harmonischer heller Doppelbock (Lucky Bastard) und ein Weizenbock (Zichovecky Pivovar) – beide klassische deutsche Bierstile aber von zwei tschechischen Brauereien präsentiert –konnten den meisten (über)kreativen Kreationen die Show stehlen.

Entsprechend war ich seitdem auf der Suche nach einem Fazit für diese mir neue Erfahrung. Beschäftige ich mich schon zu lange damit und stumpfe ich aufgrund des explodierenden Angebotes und der Verkostungen ab? Dass ich nicht der einzige war der diesmal etwas skeptischer als sonst nach Hause fuhr, bestätigten mir die Kollegen mit denen ich unterwegs war. Bei den meisten (schlechteren) Bieren waren wir absolut einer Meinung, so auch bei den gelungenen klassischen Bierstilen.
Und kritische Artikel aus dem Internet zum „Craftbier-Hype“ wie unter anderem gerade BrewDog, teils zurecht aber schon sehr übertrieben verrissen wird, und wie mittlerweile skrupellose Brauriesen mitmischen, indem von ihnen zb ganze Hopfenernten oder Craftbrauereien aufgekauft werden, oder wie sie sich in gängige Rating-Seiten einfach einkaufen und sich sogar Braugerste patentieren lassen wollen, sind letztendlich auch miteingeflossen.

Also was bleibt zu sagen? In den letzten Jahren (Jahrzehnten USA mitgerechnet) hat sich um das Thema Craftbier ein Hype entwickelt der natürlich auch irgendwann kommerzielle Ausschlachtung mit sich bringen musste. Die Frage die sich auftut ist was wird vom Hype übrig bleiben? Wenn die „Hipster“ die Areale der Kreativbierwelt auf der Suche nach neuen Trends verlassen haben und die echten Liebhaber von spannenden und aromatisch abwechslungsreich gebrauten Bieren übrig bleiben. Werden wir genug sein damit der aktuelle Stand an Craftbrauern überleben kann? Oder werden sich diese in Zukunft mehr auf konventionell trinkbare Bierstile fokussieren? Oder wird es zu einem Einbruch kommen?

Mein persönliches Fazit ist, um dem entgegenzuwirken sollten sich die kreativen Brauer der neuen (alten?) Bierkultur zuerst auf die Qualität ihrer Biere konzentrieren und in zweiter Instanz dann auf die Etikette(n). Verkauf ist wichtig, das ist klar, aber schmeichelnde Optik vermag vielleicht das Auge anfangs zu beeindrucken, wenn dafür aber der Geschmack auf der Strecke bleibt, wendet sich irgendwann das Auge, und letztendlich sein Bier-begeisterter Besitzer ab.

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Katzenfett.

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