Operation Hadn-Schiss: 100 % Buchweizenmalz

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100 % Schüttungsanteil Buchweizenmalz – geht das? Wir wollten es wissen. Und haben einen Samstag-Sommernachmittag damit zugebracht, Buchweizen, vulgo Hadn, zu verbrauen.

Fagopyrum esculentum, oder „Echter Buchweizen“, eigentlich ein sogenanntes Pseudogetreide aus der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae), enthält nicht nur interessante Inhaltsstoffe wie Rutin, Fagopyrin und Chlorogensäure sondern hat hinsichtlich seiner Eignung als Stärkelieferant fürs Brauen noch einen weiteren nützlichen Vorteil: Es enthält kein Gliadin.[1]; [2]
Gliadin bildet gemeinsam mit anderen Proteinen in Weizen ein Eiweißgemisch, das vielleicht besser unter der Bezeichnung „Gluten“ bekannt ist. Ob nun Gliadin in Weizen, Hordein in Gerste, Avenin in Hafer oder Secalin in Roggen: diese sogenannten Prolamine (Speicherproteine mit hohem Anteil der Aminosäuren Prolin und Glutamin) sind ein ziemliches Problem für Menschen mit Zöliakie. Und auch jene mit einer hausbackenen Weizenallergie freuen sich nicht zwangsläufig darüber. Dummerweise sind diese Prolamine aber eben gerade in jenen Süßgräsern (Poaceae) enthalten, aus denen wir bevorzugt unsere Braumalze herstellen.[2]
Doch wie ist das nun mit dem glutenfreien Bier? Dazu muss man zunächst wissen, dass laut EU-Verordnung (EG) Nr. 41/2009 ein als „glutenfrei“ bezeichnetes Lebensmittel maximal 20 mg/kg Gluten enthalten darf. Während gezüchtete Getreidesorten mit sehr geringem Glutengehalt oder der enzymatische Abbau von Gluten Möglichkeiten darstellen, glutenfreies Bier herzustellen, gibt es noch schlicht und ergreifend die Möglichkeit, auf Reis, Mais oder Hirse umzusteigen.[3]; [4]
Oder aber sich die Pseudogetreide und somit den Buchweizen genauer anzuschauen.[4]; [5]

Gesagt, getan. Gemeinsam mit Julia Jamnig, einer langjährigen Studienkollegin und Freundin, sollte ein Bier mit 100 % Schüttungsanteil Buchweizenmalz gebraut werden. Das erste Problem: Wo das Malz beziehen? Fündig wurden wir beim Online-Shop Schnapsbrenner. Da haben wir nun also einen Sack mit 6 kg geschrotetem Buchweizen-Malz und überlegen uns, wie wir das Maischen in unseren modifizierten Kochhäfen zuhause angehen werden. Einer der wenigen belastbaren Erfahrungsberichte stammt von den ebenfalls äußerst experimentierfreudigen Kolleginnen und Kollegen von Hobbybrauer.de.[6] Da wir die 6 kg Malz in einem Gang verbrauen wollten, uns aber nur ein 35 L Maischekessel zur Verfügung stand (und wir’s auch schlicht und ergreifend wissen wollten), haben wir das empfohlene Schüttungsverhältnis in dreister Präpotenz von 1:6 auf 1:4 verringert. Wie dem auch sei, hier in kürze die Details:

Hauptguss: 24 L /Nachguss: 10 L (nicht aufbereitet)
Schüttung: 6000 g Buchweizenmalz (Château) 
Vor dem Einmaischen: Zugabe von 20 ml thermostabiler α-Amylase aus Bacillus licheniformis (Beerzym AMYL-HT; ERBSLÖH), ganz nach dem Motto: nicht anklopfen, sondern Vorschlaghammer.
Einmaischen: 50 °C für 20 min
Verzuckerung: 85 °C für 120 min (Jodnormal)
Läuterrast: 90 °C für 30 min
Läuterdauer: 40 min

Die Maische war bei Einmaischen extrem kompakt und händisch kaum noch umzurühren (deckt sich mit den vorhin erwähnten Erfahrungs-Berichten aus hobbybrauer.de), ließ sich bei Erreichen der 85 °C aber bereits problemlos durchmischen. 
Das Läutern verlief absolut problemlos (hier hatten wir die größten Befürchtungen; wir haben einen schlichten MattMill-Läuterboden verwendet).
Die Vorderwürze kam bereits nach ca. 100 ml Vorlauf extrem klar, aber viskos und mit ca. 11.5 °P.
Aufgrund der relativ dickflüssigen Vorderwürze haben wir uns dann auch für 10 L Nachguss entschieden.

Kochwürze: ca. 10 °P (Extrakt-Ausbeutewunder hatten wir uns ohnehin keines erwartet) 
Kochzeit: 75 min
Hopfengaben:
20 g Aurora für 60 min
10 g Aurora für 30 min
20 g Aurora für 0 min 
(ca. 27 IBU)

Anstellwürze: 18 L mit 13.8 °P
Hefe: 11.5 g Fermentis Safale S-04
Umgebungstemperatur: 18 °C
Gärung ist nach ca. 6 h angekommen

Subsummierend können wir sagen: ein recht problemloser Braugang. Der Zusatz von thermostabiler Amylase ist aufgrund der geringen Enzymaktivität des Buchweizenmalzes und der Beschaffenheit der Maische sicherlich dringend anzuraten; ebenso ein üppig dimensionierter Nachguss.
Davon abgesehen waren aber keine Sondermaßnahmen am Braugerät erforderlich. Der übliche 35 L Häfen (Durchmesser: 36 cm/ Höhe: 36 cm) mit 1/2″ Kugelhahn und MattMill Läuterblech 357 mm hat’s problemlos gefressen.

Wer sich also an ein „gecraftetes“ glutenfreies Buchweizen-Ale wagen möchte: Nur zu. Die Schwierigkeiten halten sich in Grenzen – thermostabile Amylase vorausgesetzt.

  
Quellen:
[1] http://www.spektrum.de/lexikon/arzneipflanzen-drogen/fagopyrum-esculentum/4504 [16.07.2017]
[2] Mallett, J. (2014). Malt: A practical guide from field to brewhouse (Vol. 4). Brewers Publications.
[3] Zarnkow, M., Kreisz, S. and Back, W. (2005). Glutenfreie Biere – Verschiedene Herstellungsverfahren im Fokus. Brauindustrie, 90, 26–8.
[4] Schlegel, T., Kehayova, P., Peschke, S. R., & Zonker, N. (2009). Herstellung eines glutenfreien Bieres unter Verwendung von mikrobiellen Enzymen.
[5] De Francischi, M. L. P., Salgado, J. M., & Da Costa, C. P. (1994). Immunological analysis of serum forbuckwheat fed celiac patients. Plant Foods for Human Nutrition, 46(3), 207-211.
[6] http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthread&tid=13658 [17.07.2017]

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